Die Sonne durchflutet das weite Tal welches von dem mächtigen Berg Pältsa überragt wird, nur einige leichte Wolken sind hoch am Himmel. Wir stehen vor der Hütte und packen unsere letzten Sachen in die Pulka. Die Nacht war sehr erholsam und langsam verarbeite ich die vergangenen beiden Tage. Einiges kommt mir im kalten Wind so surreal vor, nur der Muskelkater zeugt davon.
Der Abend in der Sauna mit anschliessendem Sprung in den Schnee war ein Teil der Anstrengungen allemal wert.
Die Stiefel klacken in die Bindung und es geht bergauf. Kurze Zeit später schmorrt mich die Sonne im eigenen Saft, mein Anorak ist völlig durchnäss.
Auf Talseite des Berges weht kaum ein Lüftchen, doch kaum sind wir über den Kamm, haut mich der Wind frontal fast aus den Socken. Der Schnee wirbelt auf, es scheint wie an einem völlig anderen Ort, ein Tor zu einer Welt aus Schnee, Eis und bescheidener Sicht. Schwache Konturen Schimmern durch den eisernen Vorhang, sehr schnell ist mir saukalt und ich lege eine weiter Schicht Klamotten an. Es geht eine Weile bis meine Finger wieder «Betriebstemperatur» haben. Gina dreht sich über ihre Schulter und nickt mir zu, ich schliesse zu ihr auf, wir grinsen uns grimmig an und lehnen uns in das Zuggeschirr.
Wir haben uns heute Morgen beim Frühstück eine Schutzhütte ca. 20km weiter auf der topographischen Karte markiert. Die Hurvejakka Schutzhütte peilen wir mal grob an, da der Wind immer mehr zunimmt und wir eher ungern heute Nacht zelten möchten. Solche Selter findet man überall in Schweden, sie sind kostenfrei mit Pritschen und einem Holzofen ausgestattet und eigentlich nur als Schutz vor denn Elementen vorgesehen, Holz findet man dort selten vor.
In Schweden sind die meisten Winterwanderwege auch Schneecooter Tracks und mit einem roten auf 2m höhe und ca 15cm dicken Holzpfeiler markiert. Der Schnee wirbelt durch die Luft und im «Snowdrift» erkennen wir meist nur die nächste Markierung schehmenhaft oder verlassen uns auf unsere Intuition. Schitwetter.
Wir folgen dem Flusslauf des Sarjjasjohka und einmal mehr denke ich mir wie fantastisch es hier im Sommer auf Tour wäre, immer dem Wasser zu folgend bis zum Tornträsk. Als der Wind etwas nachlässt sehen wir auch die Landschaft durch die wir wandeln, bleiben gebannt stehen, nehmen einige Sequenzen auf und lege eine kurze Rast ein.
Das Gelände ist heute sehr flach, der Flusslauf der aus den Bergen in den See Kilpisjärvi mündet, wird von mehreren Seen gespeisst. Der kürzeste Weg würde direkt über die Seen in einer fast geraden Linie führen und wir würden sogar einige Kilometer sparen, doch dort liegt tiefer Schnee und es ist wohl bei der bescheidenen Sicht einfacher den Markierungen zu folgen. Hier ist der Schnee sehr kompakt und an vielen Stellen sehr verweht, unsere Ski gleiten über eine sehr dünne Schneedecke, oft recken einzelne Grashalme und Rentierflechten durch das lichte Weiss.
Nirgendwo ist der Klimawandel so sehr spürbar wie im hohen Norden. Als wir einige Tage später von einem alten wind und wettergegerbten Sami zum Essen eingeladen werden, erzählt er uns von den Wintern seiner Jugend die neun Monate anhielten und Sommern die in einem einzelnen Augenblick verstrichen.
Wir machen gut Zeit, linsen jede halbe Stunde mal auf das GPS und sehen wie sich die Distanz in Luftlinie verkleinert, doch werden langsam unruhig. Das Wetter wird schlechter, es schneit, der Wind der uns die ganze Zeit vor sich her geraten hat dreht und kommt nun eisig mit unbarmherziger Härte von rechts.
Vermutlich kennt jeder das Gefühl 2-4km vor der Hütte. «Wo bleibt das Ding nur?»
Gina fragt mich zum siebten Mal ob da überhaupt eine Hütte ist und zum siebten Mal antworte ich ihr dass ich nicht weiss ob es eine Hütte, eine Koja oder eine Gamme ist. Bei den schwedischen Sheltern weiss man eben nie was einen erwartet.
Nachdem wir drei Felsen im Schneetreiben für unser Domizil gehalten und einen Endpurt hingelegt haben nur um dann festzustellen das es sich doch nur um einen trapezförmgen mineralischen Zeitzeugen handelt, erkennen wir unter dem morgigen Aufstieg die kleine spitzaufragende Hütte.
Ich fluche über den Aufstieg der uns bevor steht, Gina dagegen lächelt nur müde. Die Hütte ist von der Windabseitigen Seite fast eingeschneit, es sieht aus als würde sie in der tiefen Mulde bis zum Sommer verschwinden. Mittlerweile heut der Wind immer lauter um die hölzerne Bleibe, wir lassen die schweren Pulken langsam zu zweit zu der Senke direkt vor der Tür hinab. Durch den aufkommenden Schneesturm erkennt Gina einen Schuppen in dem wir tatsächlich sage und schreibe unter hineingewehtem Schnee ganze acht Holzscheite finden.
Meine Begeitung ist bereits in der Hütte und versucht all den Schnee nach draussen zu schaufeln der durch eine Ritze unterhalb der Tür hineingeweht wurde.
Müde entnehmen wir unser Primus Kocher & je drei Pfund Schokolade aus der Pulka und setzen erst einmal ab.
Ein bisschen Watte aus einem OB, Birkenrinde, einige Spänne, dreimal fluchen und schon wir hören wie das Wasser aus dem Holz zischend verdampft als die Flammen im Ofen hochzüngeln.
Wir sind heilfroh über das bisschen Wärme, mein Anorak ist am Rücken solide gefroren, nach und nach schälen wir uns aus den kalten, nassen Klamotten die wir gegen warme grobe Wolle und Daune tauschen.
Als ich später nochmals hinaus gehe um eine Tüte zum Schnee schmelzen zu füllen, haut mich der Wind fast um wie eine Fjellbirke im Herbst.
Konturen sind keine mehr zu erkennen.