Heute ist Abbschlussprüfung. Drei Jahre Ausbildung brachten mich vor die Tür des Prüfungsausschusses der IHK. Ich rauche noch eine letzte Zigarette, warte vor der Türe bis ich hineingebeten werde, stammle dann etwas von Marketing, Produktplacement & PR, ohne auch nur einen Schimmer zu haben was der dreiköpfige Prüfungsausschuss von mir will. Zehn Minuten später habe ich bestanden. Wie weiss ich bis heute nicht. Prüfungen fielen mir nie schwer ohne viel dafür zu lernen. Quatschen kann ich ja.
Als ich im Sommer 2015 meine Ausbildung abgeschlossen habe war ich alles andere als ein Naturenthusisast. Klar war dass ich etwas mehr als einen Monat zwischen den Prüfungen und meiner neuen Arbeitsstelle in der Schweiz pausieren möchte. Der ursprüngliche Plan war mit meinem Kumpel Ramzi mit der TransSibirischen Eisenbahn über Moskau-Jekaterinburg-Irkutsk-Ulan Batar nach Peking zu fahren, literweise selbstgebrannten zu trinken und einige Tage am Baikalsee zu Zelten, zu wandern und zu fotografieren. Daraus wurde leider nichts. -Ramzi diese Fahrt schuldest du mir bis heute noch !
Also suchte ich nach einer „Alternative“. Camping Ausrüstung hätte ich ja haufenweise im Keller meines alten Herrn gefunden.
Diesmal sollte es nach unzähligen Städte/InterRail Trips in Süd und Osteuropa mit einigen Gedächnislücken nach Norden gehen. Wobei mich der Norden nie so wirklich interessiert hat. Da ist doch immer kalt, grau und trist wa? «Oh sweet summer child..»
Irgendwie stiess ich dann nachts auf Facebook auf eine Werbeanzeige eines Buches, von’nem Typ mit Brille, Bart & einem breiten dümmlichen Grinsen im Gesicht.
Da läuft der Typ doch ans Nordkap durch ganz Norwegen !
„Norwegen der Länge nach“
Simon Michalowicz stiess 2010 auf Norge på langs. Er setzte sich intensiv mit der Materie auseinander und durchquerte Norwegen 2013 erfolgreich in 140 Tagen und schrieb darüber ein sehr KAUFEN!-swertes Buch über seine Reise. Als er anfing zu recherchieren gab es beinahe nur Seiten zu dem Thema auf norwegisch oder schwedisch. Dank seinem Buch, seinem Blog & den vielen von ihm beantworteten Mails hatte ich es da um einiges leichter. Danke auch dafür Simon.
Meine Augen flackerten und ich war hin und her gerissen zwischen „Der Typ ist doch irre“ und „Der Typ ist ein verdammter Rockstar!“
Was wohl alles geschehen wäre hätte ich nicht auf die Werbeanzeige geklickt..
All die Menschen die ich nicht kennengelernt hätte & die Freundschaften die nicht enstanden wäre..
Was für ein Glück dass ich zu denen gehöre die das Leben nicht allzu ernst nehmen & ein Herz für Spinner haben.
Ich hatte Blut geleckt und brachte Google zum schnurren.
Vorher wusste ich nur wage wo das Nordkap liegt, jetzt tauchten Bilder von abgerockten Gestalten auf meinen Bildschirm auf; zottelige magere Kerls die dringend mal duschen sollten. Man war ich angefressen. N.P.L.
Zum Geburtstag bekam ich mein erstes Zelt & mein erstes Paar Stiefel von meinem Herrn Vater geschenkt. Die letzte Prüfunge war endlich vorüber und es zeichnete sich in meiner mit Umzugskartons vollgestellten Wohnung, ein Plan auf einer Karte des ADAC ab. Da ich nur fünf Wochen Zeit hatte war eine Durchquerung Norwegens zu Fuss nicht machbar.
Also versuchte ich per Anhalter ans Nordkap zu kommen. Äusserst interessanter Sommer. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich frei.
Auf dem Landweg gelangte ich über Köln, Hamburg, Schleswig, Kopenhagen nach Süd Schweden, verbrachte gleich die erste Nacht an der Autobahn im Zelt. 800m vom IKEA in Malmo. Das war meine erste Erfahrung mit Friluftsliv (alle Aktivitäten die im freien ausgeführt werden).
„If Norway was a Girl..“
In Oslo lernte ich vor dem (C)Anker Hostel Jasper kennen. 1h später saßen wir bei Bier und Fjordlachs an einem Tisch. Am nächsten morgen um 6 Uhr brachen wir (sehr planlos) nach Jothunheimen auf. So laufen die Dinge manchmal.
Da alles so schnell ging, hatte keiner von uns weder einen Plan noch eine Karte. Das war meine erste Wanderung seit Kindestagen. In der Nähe von Oskampen erwischte und ein böses Unwetter und wir mussten umkehren. In dieser Nacht erkannte ich das die Natur mir all ihrer Gewalt und Pracht mir Frieden gibt.
Wir lernten einiges über das Leben und die Gastfreundschaft im Gudbrandsdalen.
Jasper und ich wurden dicke Freunde. Als ich mich dann nach einigen Tagen im Gudbrandsdalen wieder nach Norden wandte um die Snøhetta zu besteigen, verabschiedeten wir uns mit dem Vorsatz dieses Jahr nochmals auf Tour zu gehen.
Letztendlich wurde ich dann auch an der Snøhetta von einem Schneesturm aufgehalten und machte mich danach straight auf den Weg nach Norden.
Das mit dem trampen läuft im Norden allerdings etwas schwerer als zB im Sommer in Kroatien. Also stieg ich auf Busse um. Parallel zu mir war zu dem Zeitpunkt war auch Tony Hinze in der Finnmark unterwegs. Allerdings weniger „komfortabel“ als ich.
In der Off-Season mit öV ans Nordkap zu fahren geht laaaang. So kam es das ich neben unzähligen kleinen orten in den Lofoten auch Trondheim, Bodo und Narvik zu Gesicht bekam.
Tony plante sein NPL etwas mehr als ein Jahr. Er erreichte das Nord Kap nach 131 Tagen und ist mir durch seine tollen YouTube Clips aufgefallen. Äusserst sympathischer Kerl!
Mit Tony hatte ich ab da immer wieder mal Kontakt.
Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann von einer Eisscholle zu springen, war er nicht nur eine Inspiration, sondern auch eine wirklich grosse Hilfe bei meiner Planung. Danke! =)
Als ich dann am 03.09.2015 gegen 12:30 Uhr das Kap erreichte sah ich 3 Radfahrer die die letzen Kilometer bis zur Skulptur strampelten. Der Tumult war mir dann allerdings doch etwas unheimlich. Kurz davor hatte nämlich die Hurtingruten angelegt und so war alles voll mit Pauschaltouristen. Da kam dann so ein Anwalt/Bänker und fragte mich ob ich auch 5000€ für die Fahrt auf der Hurtigruten gezahlt hätte.
Ja ne, nicht direkt.
Also trank ich grinsend meinen Tee & rauchte meine Siegeszigarillo & setzte mich in einen Bus nach Rovaniemi/Finnland.




Erst drei Tage später realisierte ich das ich es „geschafft“ hatte und verfiel mitten in Rovaniemi in einen Jubel.
Über eine Odyssee durch Osteuropa und den Balkan gelangte ich nach nach Beograd und sah das erste Mal seit längerem wieder strahlenden Sonneschein.

Herbst&Winter
Der Gedanke an eine Durchquerung Norwegens zu Fuss lies mich auch nachdem ich schon lange in meinem neuen Zuhause in Basel war nicht mehr los. Es war der Blick ins leere, während vor meinem inneren Auge die Nebelschwaden vor den Bergen Jothunheimes an mir vorbeiziehen. Diese endlose Weite & Stille..
Im November stellten Jasper und ich eine Tour durch die Nordmarka zusammen und spätestens dannach war für mich klar „Ich laufe NPL!“