In Meråker schicke ich Anne eine Flasche Wein, Schweizer Schokolade und Oliven nach Røros. Auch dass hat mein Vater mitgebracht. Damit møchte ich mich fuer das Essen in Alta revanchieren (leider hat sie das Paket nie erhalten weil die Helden im Vertshuset gepfuscht haben, aber dass ist eine andere Geschichte).
Dann folge ich der Strasse nach Mannseterbakken und betrete dort den Skarvan og Roltdalen Nasjonalpark. Der Trail ist schwer erkennbar, auch wenn er gut markiert ist. Die 30kg auf dem Ruecken druecken mich tief in den Morast und ich komme kaum vorran. Die neuen Stiefel sind steif, ich habe kein Gefuehl fuer das Gelænde, knicke wuest um und laufe mir eine scheussliche Blase.
Das hier entwickelte sich zum uebelsten Tiefpunkt meiner Tour.
Der Gedanke umzukehren, nach Tronheim zu fahren und einfach heimzufliegen war mehr als vorhanden. Dieses ganze gesumpfe, das miese Wetter, der schwere Rucksack.. „Was mach ich hier eigentlich?!“ fragte ich mich, drehte mich um und machte bereits einige Schritte Richtung Meråker. Und doch lief ich weiter nach Sueden. „Nein.“ sagte ich mir entschieden vehemend. „Nein.“ und drueckte die letzten Kilometer bis zur Schulzhytta. Nach 11h mit einer kurzen Pause komme ich auf der vollbewirtschafteten Huette an.
Dort traf traf ich mit Freude Eirik & Pernilla wieder und hatte das erste Mal das Gefuehl nicht der langsamste NPL Læufer zu sein. Wir waren die einzigen Gæste, teilten uns ein IPA und tauschten die Erlebnisse der letzten Tage aus. Als die Hyttewærtin Eirik, dem man deutlich anssehen kann dass er genug hat vom laufen, fragt was ihn weitergehen læsst, antwortet er „..there was no possibility to og home till now..“ und wir muessen lachen. Die beiden laufen morgen nach Westen und dann ueber Trollheimen nach Jothunheimen. Ich peile die Bergbaustadt Røros an.
Mein Bett war in einem Zimmer an der Ecke des Gebæudes und die ganze Nacht drueckte und heulte der Wind dagegen. Es klag so als wuerde Carl Schulz (Gruender des Trøndelag Turlag & Namensgeber der Hytte) mit einem Vorschlaghammer lose Balken fixieren. Sichtlich gerædert bereite ich mir mein Muesli zu. Die beiden gønnen sich das ueppige Buffet. Ich zoegere und møchte eigentlich nicht hinaus in den Sturm und den Regen. Die Damen vom DNT geben mir den Hinweis auf eine offene Hytte auf halber Strecke und ich mache mich nach einer weiteren Tasse Kaffe auf. Der Wind heult und reisst an der Kartentasche die um meinen Hals hængt. Ich druecke dagegen, laufe durch ein Tal, erkenne die Hytte von der die beiden sprachen und weiss genau wenn ich jetzt dort eine Pause einlege, bewege ich mich keinen Schritt mehr. Also laufe ich trotzdem zøgernd bergauf. Oder anders gesagt ich halte mich an den Felden fest, der Wind will mich von der Steilwand reissen, zerrt und zettert stændig von Sueden kommend trifft er mich frontal. Ich gehe ziemlich hoch auf ueber 900moh ins Kahlfjell. Das Gelænde ist sehr feucht und so hangel ich mich einmal mehr von Fels zu Fels. Dabei ueberstrecke ich das Knie und verdruecke mir einen Schmerzensschrei. „Im Fjell mein Freund, hørt dich keiner weinen.“ sagte mir mal ein Gefæhrte und ich muss bitter lachen. In der Ferne erkenne ich den See, druecke das Tempo an und erreiche nach 5h heilfroh die Græsslihytte.
Dort muss ich erst einmal nach Wasser suchen. Das einzige was ich finde ich ein abgebrannter Brunnen und eine ca 20cm fast stehende Wassersenke durch die das Wasser vom Hang abfliesst. Die Hytte ist kaum besucht. Hansjørg und Inger stehen im hyttenregister nur einige Spalten ueber meinem Namen. Es gibt ein ueppiges mehrgængiges Abendessen nachdem mir dann auch schon die Augen muede werden.
Eventuell habe ich es letzte Nacht ein bisschen zu gut gemeint mit den Holzscheiten bevor ich ins Bett bin. Es war viel zu heiss. Doch wenn der Ofen erstmal bollert.. 😉
Ich gønne mir ein Pancakefruehstueck aus der Vorratskammer.
Der ruppige Abstieg gefællt meinen Knie ueberhaupt nicht. In Gedanken ueberlege ich mir wo ich eine SD Karte fuer meine Kamera herbekomme und sehe ein schwarzes TWAs vor mir liegen. Achso! Hier bekomme ich eine SD Karte her. Unglaublich aber Wahr! 32GB und komplett leer! 😀
Nach dem Dorf Græssli steige ich auf dem sehr schlammigen Karolinerleden bergauf.
Der Wanderweg ist derselbe, den der schwedische Heerführer Generalleutnant Armfeldt und seine Soldaten, die Karoliner, auf ihrem todbringenden Marsch über die Grenzgebirge im Januar 1719 gegangen sind um durch die Einnahme Trondheims Norwegen zu zerteilen. Sie sind bis an die Kueste vorgestossen, doch die Trøndere (Bewohner Trøndelags) haben sich nicht einer offenen Schlacht im Felde stellen wollen und haben die Schweden immer weiter hinter sich hergelockt. Von 5800 Schwedische Soldaten finden 3700 hier auf dem Karolinerleden den kalten Tod.
Ich kann nur erahnen wie es hier im Januar sein muss, der Wind pfeift in die tief ins Gesicht gezogene Kapuze. Oft verliere ich die blauen teils schwer auszumachenden Markierungen. An einer Flusswatung verschwinden sie vollkommenund so irre ich durch den Regen umher bis ich eine Elchspur finde die mich auf den Trail fuehrt. Auf 1000m mit all dem Wind fuehle ich mich auf einmal quicklebendig und schreie gegen den Wind an „Kooooooomm schoooon! IST DAAAASS AAAALLLEEEES?!“ Grinsend erreiche ich nach 7h Nordpå und beschliesse noch etwas weiterzugehen. Auf meiner Karte sind einige Feldwege, die wenn ich ca 100m durch den Wald laufen wuerde mir 5-6km sparen wuerden und mich direkt runter an die Strasse bringen wuerden doch ohne (Topo) GPS finde ich ueberhaupt nichts. Als ich eine Bæuerin nach dem Weg frage schimpft sie nur weil ich unachtsam und muede ihre Læmmer auseinander getrieben habe. Also ziehe ich mich auf einen abgeschiedenen Feldweg zurueck, will gerade mein Zelt auspacken als 2 Elchkuehe und 3 Kælber aus der Hecke brechen und direkt vor mir ueber das Feld laufen. WOW! Bald ist Elchjagd, das grosse soziale Event hier im Trøndelag.
89 Tagen vor meinem Tourbeginn zitierte ich das Versprechen deutscher Soldaten die 1914 an die Westfront zogen. Aus dem Zug des Verdebens heraus versprachen sie: „..wenn die Blattern fallen, sind wir heim bei Muttern..“
Heute bin ich 89 Tage på tur..
Haltdal ist ein kleiner Ort an der Strasse 30.
Ich sitze im Coop mit einer Tuete Milch und einer Packung Kekse Bjørn gegenueber.
Bjørn ist 2,13m gross, sehr schweigsam und schaut mich verduzt an.
Er ist ein bisschen eingestaubt der gute Bjørn.
Bjørn wurde am 5. November 2007 erschossen.
Bjørn hatte einfach einen zu grossen Appetitt auf einheimische Schafe.
Also stopfte man Bjørn aus und stellte ihn im ørtlichen Supermarkt in die Vitrine als Warnung fuer seine Boys.
Ich zwinkere ihm nochmal zu und laufe die Strasse runter, die nach einer Weile zu einem engen Canyon wird. Zu meiner rechten geht es steil bergab und dort fliesst die Glåma. Zu meiner linken die beiden Fahrspuren und die Steilwand. Hier zu laufen ist sehr sehr beængstigend! „Normalerweise“ (welcher normale Mensch læuft auf einer Schnellstrasse?) laufe ich auf der linken Seite (..um zu sehen wer mich ueberfæhrt..) doch hier muss ich mich auf mein Gehør verlassen und druecke mich bei jedem von hinten kommenden Auto an die Leitplanke. Der 800m lange Tunnel jagt mir noch mehr Angst ein. Von hinten kommt ein SUV, von vorne ein laut hupender LKW. Der Luftdruck der entsteht wirbelt mich herum und am Ende des Tunnels muss ich vor Schreck ersteinmal durchatmen.
An einer alten (geschliffenen) Kupferzeche mache ich Rast. Ein alter Mann steigt aus seinem Wagen und spricht mich auf meinen Holzstock an, den ich mir als Ersatz fuer meine Leki Stoecke geschnitzt habe. Wir kommen ins Gespræch, wobei er muehelos ins Deutsche wechselt und mir folgende Geschichte erzæhlt:
„Ich habe viele solcher Holzstøcke von meinem Opa geerbt.
Siehst du die alte Zeche dort? Es riecht noch immer nach Schwefel.
Mein Grossvater hat dort gearbeitet. An einem kalten Wintertag ist sein Bein zwischen die grossen Zahnræder gekommen. Es gab ein wirklich unschønes Bild ab.
Seine Kollegen haben ihn kaum herausbekommen, das Bein hing nur noch halb dran und der næchste Arzt war in Røros.
Mitten im Winter lud man ihn, der langsam unmæchtig wurde auf den Pferdeschlitten und brachte ihn zum Arzt.
Den ganzen Weg konnte man erkennen wo der Schlitten lang gefahren ist.
Eine Blutspur im Schnee, dass es den Leuten beim Anblick schauderte.
Der Artz war eigentlich Veterinær und konnte nur noch amputieren.
Vier Mænner und sehr viel Branntwein waren nøtig um ihn festzuhalten wæhrend er das Bein abnahm. Dannach arbeitete mein Grossvater weiter in der Zeche allerdings mit Holzbein als Hausmeister. Dort schnitzte er so Støcke wie der den du trægst.“
Dann blickt er mich an, læchelt und steigt in seinen Wagen.
Ich blicke meinen Stock an und mich schaudert es als ich eben diese Strasse auf der der Pferdeschlitten lang ist hinunterlaufe.
Parallel zur Strasse verlæuft ein alter Pfad auf dem ich zelte und mir ein Lagerfeuer entzuende.
Es ist sehr grau heute. In Kombination mit dem kalten Regen ergibt das eine deprimierende Stimmung.
Heute ist einer dieser Tage da hætte ich gerne mein Handy dabei. Musik, Podcasts und Hørbucher um die Strassenkilometer abgelenkter hinter mich zu bringen.
Da donnert es ueber mir und ich traue meinen Augen nicht; 50m ueber mir ein Kampfflugzeug im Tieflug! Mir klappt die Kinnlade runter. Da donnern zwei weitere noch tiefer ueber mir vorbei und ich lasse mich auf die Knie fallen als nochmal zwei ueber meinen Kopf hinweg fliegen. Was zum..?
Ich mache viele Pausen, erreiche auf 16 Uhr Røros und gehe zum Vertshuset einem Historischen Hotel.
Ich stelle mich vor, der Rezeptionist nickt genervt und zæhlt die Tageseinnahmen. Einige Minuten stehe ich vor ihm, er reagiert nicht auf meine Frage nach einem Zimmer. Erst als ich mich ræuspere giftet er mich an ob ich nicht sehe dass er zu tun hat. Dass ist so unverschæhmt dass ich beinahe laut lachen muss. Norway in a Nutshell.
Eine solche Antwort einem zahlenden Gast gegenueber in Deutschland oder der Schweiz, da gibts Ærger.. 😀
Na gut ich hab ja Zeit. also setze ich mich und bestelle mir wie sollte es auch anders sein? Einen Burger.
Nach einer Viertelstunde hat der gute seine Zæhlerei beendet und wendet sich noch immer gestresst mir zu. Ich entschuldige mich ohne Grund und er nickt. Knaller 😀
Mein Paket haben sie nicht abgeholt, dass kann ich gerne selber in der Post i Buttik tun.
Ich habe naturlich nicht damit gerechnet dass das Hotel ausgebucht sein kønnte. Vorher reserviert habe ich auch nicht und stehe pløtzlich ohne Logis da. Selber Schuld.
Mein Blick schweift in die Kueche, ich sehe Køche Pfannen schwingen, den Kellner scherzen, die Gerrueche, die Hektik, der Stress, der Lærm; fehlt mir dass etwa ein bisschen?
Mit etwas „Glueck“ bekomme ich ein irrsinnig ueberteuertes Hotelzimmer im Bergstadens Hotel (keine gute Adresse), lasse meinen Rucksack dort und laufe zur Post.
Als Abrundung dieses grauen Tages finde ich heraus dass die Post, die das Vertshuset gebeten hat das Paket abzuholen, nach 14 Tagen Lagerzeit das Paket an den Absender zurueckgesendet hat. Eventuell bin ich ein bisschen sauer. Eventuell.
Der Absender ist in der Næhe von Oslo, ich ueberdenke meine Situation und beschliesse die 80km bis Alvdal ohne Paket zu ueberbruecken, wo mich ohnehin ein weiteres erwartet.
Der Preis fuer das Hotelzimmer sitzt mir noch immer wie ein Klos im Hals als ich fruehstuecke. Am Gæstecomputer arbeite ich 5h an meinem Blog (hier steckt Arbeit drinne Dude!)und bummele dann durch die Sportgeschæfte von Røros. In einem lege ich mir ein paar Sportschuhe zu fuer die Strassenkilometer da meine Fersen streiken. Als ich den Verkæufer frage ob die 500km „halten“ sagt er: „I give you 40%! und grinst.
Dann schlendere ich durch die Bergbaustadt Røros die UNESCO Weltkulturerbe ist.
Als hier noch aktiv Bergbau betrieben wurde, wanderten viele Deutsche aus nach Norwegen. Schmuckes Stædchen. Es erinnert mich an diesen einen Fruehlingstag in Colmar..
In einer Konditorrei gønne ich mir zwei Stuecke Torte einen nicht ganz so schlechten Kaffee & ein Softeis mit Møltebeeren; ein GEDICHT!!
Tony meldet sich bei mir und ich antworte ihm auf die Frage wie es læuft „Ich rock dass Ding!“ und scheisse ja. Ich rock dass Ding.
Dann gehe ich ins Vertshuset und checke fuer die Nacht ein.
Das Bett dort, war das bequemste und weicheste der ganzen Reise.