10. Rørvik – Meråker

Oder auch;

„..diese Dame names Roland..“

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„Jenseits der grossen Sümpfe (liegt ein Reich voller Burger und Bier)“

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„A date With Myra I.“

Hilde, oh liebe Hilde, bist du ein Engel?

Ich wache im Limmingen Gjestegård auf.
Hilde machte mir zum Frühstück einen grossen Teller mit French Toast, Eiern und Speck. Das duftet Herrlich !
Daheim ernähre ich mich „so gut es geht“ gesund. Ich koche alles selbst, esse wenig Fleisch und Speck würde niemals auf meinem Teller landen. Dann eher Pilze zu den Eiern. Ich habe bisher ca 3-5kg verloren was nicht besonders viel ist. Ich bekomme einen Anruf meines Vaters. Anscheinend verfolgt er minuziös seit einiger Zeit meine Reise über meinen SPOT Sender. Da ich mich Trondheim nähere (Trondheim steht bei NPL wenn man von Norden kommt als die Linie ab der die Versorgung leichter wird), dachte er sich er überrascht mich und fliegt für vier Tage nach Norwegen. Ich bin erstmal baff ! Heimweh hatte ich immer wieder mal und ich bin total aus dem Häuschen. Zwar sind das vier Tage die ich mir auf dem Kungsleden herausgearbeitet habe doch mal das Tempo herauszunehmen wäre eine gute Sache. Wir besprechen die Flugdaten und ich mache mich daran einen Reiseplan für uns zu erstellen. Es wird wohl eher die Küste als die Berge sein. Auch gut, am Fjord war ich nie. Als ich damit fertig bin ist es bereits Mittag. Draussen regnet es hier bei der lieben, fürsorglichen Hilde ist es urgemütlich also bitte ich sie mir etwas zum Mittag zu machen. Das gibt mir einen Grund hier zu verweilen. Als sie mir einen köstlichen Burger bringt, bietet sie mir an eine weiter Nacht zu bleiben und es kostet mich alle Willenskraft nein zu sagen. Sie berechnet mir einen Spottpreis für den tollen Aufenthalt und lächelt nur warmherzig als ich darauf bestehe ein Trinkgeld zu geben. Ach liebe Hilde !
Allzuoft ist es auf meiner Tour ein wehmütiger Abschied. Allzuoft wäre ich gerne an einem Ort geblieben. Vielleicht ist eine Reise die strikt von Nord nach süd führt falsch. Vielleicht sollte man sich darauf fixieren einfach eine gute Zeit zu haben.
Doch wäre das dann noch NPL?
Draussen auf der Strasse folge ich dem See entlang an Bauernhöfen, alten morschen Zaunpfählen bis ich auf eine Schotterstrasse treffe. Diese führt mich in den Wald immer am See entlang immer weiter hoch. Ich schwitze und fluche. Mein Kleinzehe ist geschwollen und drückt bei jedem Schritt schmerzhaft ins Fleisch.  Ich beende den Tag neben einigen „Traktor-Eggs“ (Heuballen gepresst in weissen Kunststoffrollen) und stelle mein Zelt auf.

Mein heutiges Tagesziel an diesem wirklich langweiligen Tag war die Kveliabua. Dort gibt es einen kleinen Mattkroken Laden in dem Roland der Besitzer an jeden Norge pa langs Läufer der bei ihm vorbeischaut, ein Paar selbstgefertigte vlies Einlagesolen verschenkt. Doch ersteimal today’s business; 27km hoch & runter. Wer baut so Strassen ?! Kaum bin ich „oben“ geht es direkt wieder steil runter und ich sehe das nächste „oben“. Als ich Kvelia um 19.00 Uhr erreichte, rechnete ich damit den Laden bereits geschlossen vorzufinden. Doch es brannte Licht. Ich stellte mich vor und Roland den ich bereits von Fotos, allerdings in Frauenkleidern kenne, lädt mich auf Pizza und Kaffee ein & drückt mir ein paar Einlegesohlen in die Hand.
Der Landesteil durch den ich wandere nennt sich „Trøndelag“. Hier wird hauptsächlich Viehzucht (Schafe>Wolle/Fleisch & Rinder>Milch/Fleisch) betrieben. Es liegt bei Roland in der Familie mit Wlle zu arbeiten. So stellt seine Schwester Mittens (wollene Fäustlinge), seine Frau Gewakte Stiefel & er Einlegesohlen her.
Als ich Roland nach dem Grund für seine Freigiebigkeit frage, erzählte er mir das das ganze irgendwie mit „Pe-Torsa“ begonnen hatte. Pe-Torsa das grosse Ereigniss hier. Es ist ein Fleilufttheater welches auf einem altem Bauernhof spielt. Es geht um das Leben auf dem Land Mitte des letzten Jahrhunderts, die Probleme & kleinen Wehwehchen der Menschen und um die Region. Alle Schauspieler sind Laien und Ansässig in der Umgebung. Die Requisiten sind tatsächlich so alt wie sie aussehen. Als ich ich fragte worum es dabei geht, antwortet er „It is about nothing“ und lacht. Vor siebzehn Jahren wollten sie einfach nur Spass haben und lachen. Die ersten Aufführungen fanden im Laden statt mit wenigen Zuschauern. Dieses Jahr wurden 7000 Karten verkauft und das Event hat sich zu einem sozialen Treffpunkt entwickelt und nur durch die Einnahmen die in der Woche gemacht werden lässt sich der kleine Dorfladen finanzieren. Roland lädt mich zur morgigen Generalprobe ein und ich freue mich darauf der erste Zuschauer des Jahres zu sein. Vorher nimmt er mir allerdings das Versprechen ab keinem auf meinem Weg durch Trøndelag zu erzählen um was es bei der diesjährigen Vorstellung geht. Versprochen gehalten Roland !

Ich frühstücke üppig und mache mich auf zur „Bühne“ die ein alter Bauernhof ist. Roland begrüsst mich in Frauenkleidern und bittet mich Platz auf der Wiese zu nehmen. Obwohl ich nur 10% der Vorstellung verstehe sind die Requisiten, die Kostüme und der Bauernhof selbst sehr liebevoll gewählt. Einige Gags verstehe ich auch und muss lachen als der „Dorftrottel“ vom Fahnenmast baumelt. Dann wird es allerdings Zeit für mich zu gehen. Ich bedanke mich bei der Dame names Roland und gehe die Strasse hinauf Richtung Nordli. Die Blase an meiner Kleinzehe habe ich gestern Abend durchstochen was es kaum besser machte. Es war ein zäher marsch bis nach Nordli. An der örtlichen Tankstelle würde ich auf einen Burger eingeladen. Anscheinend bekommt hier jeder NPL’er eine gratis Mahlzeit. Trøndelag ist bisher nicht schlecht. Allerdings kann mir keiner wirklich bei meiner weiteren Route helfen. Die nächste Etappe führt mich durch den Blåfjella-Skjækerfjella Nationalpark an der schwedischen Grenze entlang durch eines der grössten Feuchtgebiete des Landes. Ich war sehr angespannt als ich da auf dem Tisch meine Katzen durchging. Der Nationalpark hat keine markierten Wege und dafür wäre mein GPS gedacht gewesen. Die gesamte Route ist auf einem 8GB Chip in meinem Garmin GPS Gerät gespeichert. Dieses liegt aber verschollen im Børgefjell. Nachlässig wie ich war hatte ich die Route nicht auf den Papier Karten eingezeichnet und während ich diese herumwirbele landet mein Smartphone, meine letzte elektronische Navogationshilfe (siehe App „Topo GPS“) mit einem Knall auf dem Boden. Der Bildschirm ist zersplittert und reagiert im linken unteren Rand nicht mehr. Doch er zeigt noch meine Position an. Ich bin leicht ungehalten darüber und eventuell merkt man es mir an. Aus Wut laufe ich weiter 12km und baue mein Zelt direkt an der Strasse auf.

Von Simon hatte ich den Hinweis auf eine Farm von deutschen Auswanderern bekommen die mir eventuell bei meiner Route weiterhelfen könnten. Nach einem zähen Strassenmarsch und einigen Kilometern bei denen ich mir nach Kompasskurs meinen Weg durch den Wald schlug, erreichte ich Fjellheimen wo mich Familie Hartmann herzlich aufnahm, mich an ihren Tisch einluden und ich sogar meine Wäsche waschen könnte. Ganz feine Menschen! Sie könnten mir tatsächlich bei meiner Route helfen und entwarf ich einen Plan für die kommenden 30km.
Es gibt immer mehr als einen Weg.
Den Weg Fluss durch den dichten Wald entlang wollte ich nicht wählen nachdem ich gestern für 1km 1h Gebrauch hatte. Also zeichnete ich mir eine Route ein die mich zum Blåfjellvatnet, vorbei am  Blåfjellhatn führen würde, dann auf einem 220 Grad Kurs weiter zur Gjefsjøn Farm. Hinterher bekam ich mehr als einmal zu hören: „..alsooo ICH hätte ja..“ Hab ICH aber nicht. Es liegt wohl auch an meiner Art die Dinge auf meine Weise anzupacken, egal wie oft das schief geht. Aber dass ist eine andere Geschichte.

Am nächsten morgen und einem üppigen Frühstück (ich habe immer das Gefühl mich zurückhalten zu müssen wenn ich mit „normalen“ Menschen an einem Tisch sitze..), bedanke ich mich bei der lieben Familie Hartmann, verarzte kleine Blessuren an meinen Zehen und laufe unter tiefhängenden Wolken die Strasse entlang über die Brücke. Nach 4km nehme ich an einer Rodung den sehr steilen Aufstieg der über entwurzelte Bäume und Gestrüpp führt. Habe ich schon erwähnt dass ich eine Heidenangst vor Schlangen habe? Da nehme ich es etwas so wie Indiana Jones. Es beisst nichts. Gut. Weiter bergauf stolpernd, stockend und fluchend (Hansjörg was hab ich dir nur getan dass du mich hier hoch schickst..???). Nach der Rodung kommt ein Sumpf wie ich ihn noch nicht erlebt habe. Bis dahin. Mein Fuss bleibt bis zum Knie im Moor stecken und saugt sich fest. Alles ziehen und ruckeln nützt nichts; er will nicht raus. Also setze ich den zweiten ein Stück vor und auch der wird sofort angesaugt! Meine Hand greift instinktiv zu meinem Spot Notfallsender. Warte mal. Wie sehr lacht sich die norwegische Bergwacht über einen weiteren doofen Ausländer schlapp der das Gelände unterschätzt hat? Nein, da muss ich jetzt selber raus; die Schlappe gebe ich mir nicht! Ich ziehe, stütze mich auf meine Stöcke die auch schon 20cm im Boden stecken, drücke und heble. Mit einem schmatzenden schlotzigen Geräusch bekomme ich einen Fuss frei, komme allerdings aus dem Gleichgewicht, Fänge mich mit eben jenem auf indem ich direkt wieder in der Schlammgrube Lande. Das Spiel wiederholt sich und dauert beinahe eine halbe Stunde für 100m. Danach hüpfe ich von einer bewachsener Fläche zur nächsten. Vor mir ragt eine Steilwand empor. Der Blåfjellvatnet ist ein länglicher See umgeben von steilen Felswänden, die vom Blåfjellhatten überragt werden. Ich blicke empor und frage mich wie ich da bitte hochkommen soll. Hansjörg meinte das sei kein Problem. (Von oben ist es das sicher auch nicht). Kopfschüttelnd plane ich um und folge einem Abfluss des Sees hinauf was den Aufstieg erheblich verlängert. Statt den halben See, laufe ich den ganzen See entlang. An dessen Ende setzte ich mich und esse eine Tafel Schokolade (nicht mehr als ein Riegel mittlerweile). Ich setzte den Kompasskurs neu. Von oben sehe ich bereits das mich noch mehr Sumpf erwartet. Entweder dass oder dichtes Gestrüpp. Also bahne ich mir meinen Weg (ohne Machete) durch das Dickicht. Dadurch kommenden leider etwas von meinem Kurs ab und stehe direkt vor einem Canyon. Es geht 50m nach unten. Der Fluss selber sieht nicht wirklich wild aus. „Das sah der im Reisadalen auch nicht Bruder & trotzdem biste da fast angesoffen !“ denk ich mir. Doch ich erkenne keine bessere Stelle zum furten also hangele ich mich an einigen Birken nach unten. Der Fluss ist tatsächlich nicht wirklich wild doch am anderen Ufer merke ich dass es senkrecht hoch geht. Wenig Auswahl an Kaffee gibt es hier auch nicht. Ich setze die ersten Schritte, rutsche ab, versuche etwas anderes und komme mühsam immer höher. Erschöpft lasse ich im Gras fallen, werfe einen blick auf die Karte und beschliesse nicht weiter als bis zu einem See auf 673moh zu gehen. Dort baue ich mein Zelt auf. Als ich Wasser hole entdecke ich „Blauscheisser“ Bärenkot der durch Blaubeeren verfärbt ist.
Ich bin eine weitere Nacht nicht von Bären verspeist worden, das muss wohl an meinen Socken liegen. Da werden selbst Mücken suizidal. Bei einer Tasse Kaffee gehe ich nach 3h im Schlafsack wälzen und packen die Route durch; heute sollte ich über die Gjefsjøn Farm zur selbstbedienten DNT Hütte Holden am Holderen See gelangen. Ich halte mich am Berghang und navigiere in Richtung des Einschnittes der mich auf die Hochebene ins Kahlfjell führt. Dort auf 800moh lässt sich alles sehr viel leichter überblicken. Ich erkenne die beiden Gjefsjønhatten und die seen die meine Fixpunkte sind. Auf dem höchsten Punkt erwischt mich der Regen breitseitig und verfolgt mich den gesamten Abstieg. Dieser zieht sich länger als erwartet. Ich kann keine gerade Linie laufen um an den Fluss zu gelangen, zuerst versperrt mir ein Fluss den Weg, dann Dickicht und dann verliere ich die Orientierung im Wald. Zwischen zwei Felsen verschwindet eine kleine braune Schlange; mich schaudert es. (Hatte ich erwähnt dass ich Schlangen hasse?) Mit dem Kompass peile ich den Fluss an, an dem sich eine Brücke befinden soll. Dazwischen erlebe ich das schlimmste an Sümpfen was ich bis hierhin (abwarten…) erlebt habe. Da ich nirgends eine Brücke sehe, zweifele ich langsam an meinem Verstand der leicht unterzuckert auch mal Steine wir Hütten aussehen lässt. Ich folge also mühsam dem Flusslauf durch den Sumpf und finde tatsächlich eine bescheidene aber solide Brücke mit Gatter. Die ATW (Geländequad) Spuren zeigen mir zwar den kürzesten Weg zur Farm sind aber sonst kaum ein Segen da sie den Boden richtig umgepflügt haben. Als ich die Farm erreiche läuft mir der Sohn des „Alten Gjefsjøn“ entgegen und bietet mir prompt eine Unterkunft an. Dass nenne ich mal aktiv Verkauf. Ich lehne dankend ab und lasse mir den weiteren Weg beschreiben.

Von Gjefsjøn führt eine alte Telefonleitung nach Holden und von dort aus weiter nach Gaundalen.

Den kannte ich bereits vorher und auch ohne Telefonleitung war der Weg gut ausgetreten. Einige Kilometer von der Farm machte ich nach einer Flussquerung eine Pause und ass etwas. Ich merkte wie unterzuckert ich war & es war noch ein kleines Stück zur Hütte. Als es bergauf geht fluche ich kurz; ich will endlich aus dem Sumpf in die Hütte! Kurz vor der Hütte entdecke ich noch mehr Hinterlassenschaft von Bären.

Die Gegend hier hat die höchste Dichte an Braunbären. Wie mir Jens Hartmann erklärt hat: „Wer hier in Norwegen einen Bären schiesst steckt danach in ernsten Schwiergkeiten. Die offizielle Population beträgt 25 Tiere die unter Naturschutz stehen. Während drüben in Schweden in einigen Wochen Beginn der Bärenjagd ist..“ Für die Farmer im Trøndelag, die traditionelle Schafzucht betreiben (Schafe werden im Sommer in die Berge und Wälder getrieben) sind Bären und andere Raubtiere ein Problem welches ständig zu Konflikten führt. Ein deutscher Jäger sagte mir dazu mal; „schiessen, schaufeln; Schnauze halten.“

Ich bin allerdings zu müde um mir Gedanken um Bären zu machen und heilfroh über das nach links zeigende Schild „Holden DNT“ die letzten paar hundert Meter sehe ich viele Fussspuren. Bin ich vielleicht nicht allein auf Hütte? Wäre doch super wenn „jemand“ schon mal warm gefeuert hat. Ich öffne das Gatter und sehe fünf Gebäude. Auf das grösste gehe ich zu und klopfe. Ein Mann ca 40 Jahre alt öffnet das Fenster und begrüsst mich. Das sein nicht die DNT Hütte, sondern die vom Statskog (norwegischer Forst). Aber als die Worte Norge på langs fielen wurde ich sofort auf ein Bier in die Hütte eingeladen. Der gute war in Begleitung von vier Freunden hier. Seit ihrem Abitur, kommen sie jedes Jahr seit fast drei Jahrzehnten hierher und verbringen eine Woche mit Fischen, trinken und lachen. Und jedes Jahr laden sie einen hungrigen NPL Läufer zum Fisch essen ein. Die Einladung nehme ich unter der Bedingung an dass ich meinen Beitrag zum Fisch dazusteuern darf. Sie lachen und so steigen wir wenig später zu dritt ins Ruderboot. Doch meine Angel soll ich am Ufer lassen. Keiner von ihnen hat eine Angel dabei und ich bin gespannt wie wir angeln sollen so ganz ohne Rute.

Wusstet ihr dass der Otter ein Tier ist das unglaublich effizient Fisch fängt?
Nach ihm haben die Norweger eine Methode benannt zu fischen; den „Oter“

Dazu braucht man im Idealfall Zwei Personen. Einer rudert das Ruderboot. Der andere hällt ein Holzbrett auf das Angelschnur aufgewickelt ist. Daran sind sechs-acht Fliegen Hacken befestigt. Am anderen Ende ein Brett als Schwimmer. Das ganze læsst man wæhrend dem rudern hinter sich hertreiben und sobals Spannung auf der leine liegt hat der Fisch gebissen und man holt die Schnur ein. Æusserst effizient!

Wir haben gleich zwei, einen davon halte ich in der Hand und tatsæchlich beissen in kuerzester Zeit sechs Fische! Eine Regenbogenforelle und funf Æschen (Greyling).
Die haben die Norweger aber ueberhaupt nicht gerne und so sehe ich fassungslos zu wie die beiden veræchtlich den guten Fisch direkt wieder ueber Board werfen. Ich bin am verhungern!
Nach einer Stunde nehmen wir Kurs auf das Ufer, ich springe an Land und falle vor Schmerzen fast um. Meine Beine verkrampfen sich mit jeder Bewegung. Anscheinend liegt dass an dem kalten Wind und daran dass ich es nicht mehr gewohnt bin zu sitzen.
Zureueck in der warmen Stube macht sich unser Koch daran den Fisch zuzubereiten und es duftet herlich! Dazu tischen sie einen sehr guten Sauvignion Blanc auf. Ich fasse mein Glueck nicht, bin ich doch vor einigen Stunden doch noch durch den Schlamm gestiefelt. Wir haben einen tollen Abend zusammen und es ist bereits Mitternacht als ich zur DNT Hytte ruebergehe. Als ich die Tuer øffne, schlægt ein Hund an und macht einen Heidenlærm bis die Hyttenbesucher wach sind und mir eine Blondine die Tuer øffnet.
Ganz bløde Situation. Der DNT weisst grundsætzlich niemanden an seiner Tuer ab, doch es gibt die Regeln der Nachtruhe und ich habe eventuell eine leichte Fahne vom Bier, Wein & Whiskey. Sie fragt mich ob ich E1 Læufer sei, ich entschuldige mich fuer meine spåte Ankuft, fasel etwas von NPL laufen und Blåfjellvatnet. „Oh cool we do the same !“ sagt sie und bittet mich die Hytte nebenan zu beziehen um den Hund ruhig zu stellen.

Noch immer habe ich ein schlechtes Gewissen weil ich gestern Nacht erst so spæt aufgekreuzt bin, also klopfe ich nach dem packen an die Tuer und entschuldige mich erneut. Sie stellt sich als Pernille vor. Zusammen mit ihrem Freund Eirik & ihrem Hund Eivy læuft sie nach Lindesnes. Wir fruehstuecken zusammen und die beiden erzæhlen mir wie sie im Mai im Pasvik Nationalpark nahe der russischen Grenze los sind. Auf Ski, durch die einsetzende Schneeschmelze wollten sie es nicht riskieren mit ihren Pulks auf Grund zu treffen also mit 40kg auf dem Ruecken ueber „rotten snow“, tagelang.
Die beiden haben sich dann entschieden durch Finland zu laufen wo die Bedingungen noch etwas winterlicher waren.
Pernille ist vielleicht 160cm & 55kg schwer muss man dazu sagen. Sie erzæhlt mir auch von den ganzen abenteuerlichen Flussquerungen bei dennen Eirik der recht gross und breit gebaut ist zuerst ueber den Fluss ist, dann ihren Rucksack ruebergebracht hat und sie dann an einem Seil (das Ding hatten die noch immer dabei) gesichert ueber den fluss „gelotst“ hat. Wir tauschen unsere Abenteuer aus wæhrend wir fruehstuecken und die beiden haben nichts dagegen als ich mich ihnen anschliesse, da wir eh die selbe Richtung haben.
Glueck fuer mich, mir fehlen bis Meråker die Kartenausschnitte. Wie mir das passieren konnte ist mir schleierhaft.
Abgesehen davon freue ich mich wieder in Gesellschaft zu laufen & da ist der Sumpf auch nur halb so uebel. Eirik fuehrt uns nach Gaundalen, wobei es eigentlich der Hund ist der 5m vor uns den besten Weg findet und wir vertrauen ihm. Die beiden laufen nach der 1h/10min Methode also machen wir jede Stunde zehn Minuten Pause. Ich bin da weniger methodisch. Mehrfach rutsche ich (meine Stiefel haben kaum noch Profil) wenn, es ueber schlammigen Grund nach unten geht, ab und lande auf meinem Ruecken, wobei der Rucksack als Airbag fungiert. Einmal werfe ich meinen Kopf ungebremst mit einem solchen Ruck zurueck dass ich nur noch Strerne sehe und mir total schlecht wird. Benebelt laufe ich hinter den beiden den Hang hinab durch das Schafgatter, an dem wir bereits die Farm des alten Gaundalen sehen.
Anders als Gjesjøn, liegt diese nicht im Nationalpark, doch ist noch immer so abgelegen dass sich Steinar Gaundalen mit einem kleinen Flugzeug versorgt. Vor einigen Jahren hatte ihm die Regierung eine beachtliche Summe geboten, damit auch sein Land Teil des Blåfjella Nationalparks wird, doch er hat abgelehnt. Damit wære es vorbei mit dem Flugzeug und die Versorgung sehr viel komplizierter. Selbst ein eigenes Wasserkraftwerk hat er!
An der Tuer begruesst uns dann allerdings nicht Steinar, der in Bodø ist, sondern sein Bruder grinsend und lædt uns herzlich auf ein Pfifferlingomlette ein. Køstlich! Ich bin sehr Knapp mit den Nahrungsmitteln, da ich gehoft hatte auf Holden mehr zu finden als ein paar Dosen Lapskaus mit einem MHD von 2008. Also krame ich meinen Block Kæse heraus und verdruecke eben mal 250g davon..
Unser Gastgeber ræt uns im Angesicht von dem ungewissen Wetter lieber nicht, wie Hansjørg mir vorgeschlagen hat am Skjækkerhatten vorbeizulaufen und durch das Skjækkerfjella zu laufen sondern dazu hoch zum Wasserkraftwerk und dann dem Stigådalen zu folgen bis nach Sveet.
Wir bedanken uns fuer die Gastfreundschaft und gehen steil bergauf. Der gewæhlte Weg erweisst sich als einfacher zu gehen als die letzten Tage, da Pernille darauf achtet uns møglichst hoch zu halten. 2h spæter stellen wir unsere Zelte auf einem Huegel auf. Von dort aus beobachte ich einen Kønigsadler wie er durch die Luefte schwebt. Wow. Es sind Momente wie dieser. Mein Vater landet am 31/08/17 also rechne ich mir aus ob ich es schaffe bis dahin in Meråker zu sein. Das wird knapp mit dem geringen Tagespensum.

Pernille fuehrt uns heute. Die ganzen Pausen sind fuer mich anstrengend, ich bin das nicht gewohnt. Fuer gewøhnlich mache ich nur eine Mittagspause und laufe sonst durch. Abgesehen davon geht mir das essen aus..
Das Gelænde ist unuebersichtlich, ich habe das Gefuehl dass wir im Kreis laufen. Eirik auch. Er uebernimmt und nach einer zweistuendigen Mittagspause in der Sonne(!!), bei der mir alle Perversionen an Essen durch den Kopf gehen, laufen wir noch einige Stunden und zelten dann 7km von der Strasse nach Sveet. Ich wære gerne durchgelaufen. Zur drallgefuellten Futterkammer von Belingstua..

Heute treffen wir ENDLICH wieder auf einen markierten Pfad. Das schønste was ich die letzten Tage gesehen habe (abgesehen vom Pilzomlett beim alten Gaundalen), ist ein schlankes, rotes „T“.
Heute sind meine Gedanken sehr zerstreut. Ich denke an meine Familie. An alte Versprechen und an die kommenden Monate.
Wir treffen auf die 5km lange Strasse. dort gebe ich Gas und lasse meine Gefæhrten schnell hinter wir. an der Abzweigung wo es wieder auf den Trail geht, warte ich, bereite mir Couscous mit einer Zwiebel und Senf zu (aye, schmeckt so wie es sich anhørt..) und als die drei eintreffen legen wir uns fuer ein Nickerchen in die Sonne. Der Mangel an Essen læsst mich nur noch ans Essen denken. kurz bevor wir Belingstua erreichen, stelle ich mich an den See, an dem ich eine Forelle habe springen sehen, und versuche diese wirklich aus Hunger an meinen Haken zu bekommen. Doch sie ist stur und ich bleibe hungrig.
Eirik & Pernille sind bereits in der Huette. Als ich von der Strasse in die Auffahrt abbiege treffe ich eine æltere Dame und frage sie aus Jux ob es hier irgendwo einen Laden gibt der Bier an durstige NPLer verkauft. Sie meint klar sie macht dass und wir lachen beide. Ich gehe in die Hytte und Eirik fragt wo ich denn abgeblieben war (sie hatten eine andere Abzweigung genommen ca 2km vor der Hytte). „Just ordered some beers for us mate“ antworte ich er lacht da wir bereits seit gestern von einem kuehlen Øl træumen.
Pernille macht uns nachdem jeder eine Dose Lapskaus hatte (das erste mal in meinem Leben dass ich Eintopf aus der Dose esse), einen RIEEEEESIGEN Berg an Pancakes. Da klopft es an der Tuer und die alte Dame mit der ich an der Strasse gescherzt hatte steckt mit ihrtem Mann den Kopf herein und drueckt uns vier eiskalte Konserven Bier in die Hand. Eirik schaut mich total perplex an. „I told you“ sage ich und muss lachen da ich selbst total baff bin.
Auch dass ist Norwegen.

Pernille schlief noch, Eirik stand am Herd und gab sich eifrig Muehe eine Pancake Imitation des Glittertind auf den Teller zu Bringen. Der Berg hing schon etwas schief uns noch immer schwenkte er die Pfannen. Obwohl ich um 7.00 Uhr aufgestanden bin, lief ich erst auf 11.45 Uhr los. Schuld war wie sollte es auch anderes sein; der Glittertind!
Eirik packte mir auch noch eine Ration fuer unterwegs ein. Die beiden legten noch einen weiteren Ruhetag ein bevor sie richtung Angeltjønnhytta ins Roltdalen liefen. Von der Schulzhytta wollten sie nach Trollheimen und dann auf den 1.10 in Geilo sein. Wir verabreden uns fuer Geilo und verabschieden uns.
Ich hatte von der Belingstua zwei Møglichkeiten: direkt in 31km ueber den Sulåmoen Sumpf nach Ferslia, oder ca 15 km der Strasse nach westen folgen und dann dort ins Fjell, was ca 5km længer wære.
Da ich allerdings noch eine unangenehme Geschichte meines Lieblingspostboten im Kopf hatte bei der der Name „Sulåmoen“ irgendwie ein ungutes Gefuehl in mir weckte, entschied ich mich fuer die zweite Variante.
Als ich an der Strasse auf den Pilgrimsleden einbiege mache ich eine Pancake Pause.
Keine 15m vor mir rennt eine Elchkuh aus dem Gebuesch und total verbluefft schiesse ich mit dem Handy einige schlechte Bilder. WOW; mein erster Elch!
Der Aufstieg ist gut gehbar wird ab ca 600m aber sehr feucht. ICh druecke mein Tempo hoch, da ich ja nicht im Dunkeln auf Ferslia eintreffen will. Vor mir zweigt sich der Trail ab nach links oder nach rechts zur Strasse, was 2km længer wære. Ich wæhle die Strasse was sich als sehr sehr schlechte Wahl entpuppt. Die Markierungen sind sehr alt und kaum vorhanden, so irre ich dann lange durch den Wald mit dem Kompass in der Hand bis ich eine Loipe finde und von dort aus einigen Schafen bergab folge. Vollkommen  aus der Puste stolpere ich auf die Strasse und beisse die Zæhne zusammen bis nach Ferslia. Spæter am Abend als ich die Distanz usmesse, komme ich auf 37km in 8h.
Die Ferslia Hytte ist mitten im Wald mit Seeblick von einer Terasse die sie umgibt.
Falls mir jemand spontan eine Hytte schenken møchte; genau so eine! 😉
Ich hole mir Wasser am Brunnen und genuegend Brennholz. Kaum habe ich die Tuer hinter mir geschlossen, verdunkelt sich der Himmel.
Es kostet mich einige Anstrengung den Ofen anzufeuern, aufgrund des sehr nassen Sommers, war es anscheinend auch nicht einfach das Holz gut abzulagern.
Nach einem grossen Topf Pasta aus der Vorratskammer, schlafe ich auf der Couch ein und træume einmal mehr vom „Burger mit Avocado“.

In Alta hatte Anne mich zum Essen bei Peppes Pizza eingeladen.
Der Burger mit Avocado den wir dort hatten wurde zum Sinnbild von all dem was man nicht von „Anfang an“ hat, wenn man im Norden loszieht.

Die Flammen zuengeln im Ofen.
Ich reflektiere den Weg der mich hierher gefuehrt hat. Wie ein schnelles Band, wie die Flammen im Jøtul Ofen. War ich zu schnell unterwegs? Nach den vier Tagen, nehme ich mir vor, gehe ich das ganze etwas langsamer an.
Unglaublich. Half way done. Trondheim, haben wir uns im Norden gesagt, ab da wird das Ganze uppiger.
Heute geht`s nach Trondheim !
Meine Rechnung ging trotz der eher geringen Laufleistung auf und ich wuerde sogar noch die Møglichkeit haben in Trondheim meine Wæsche zu waschen bevor ich meinen Vater am Tag darauf am Flughafen abholen wurde. Ich freute mich wie Bolle auf das Wiedersehen!
Doch zuerst dayly buisness – 22km bis zum Coop nach Meråker.
Unterwegs finde ich am See einen Carbon Stock und ersetze damit meinen Defekten Leki Strock.
Der Herr nimmt, der Herr gibt.
Die Strasse zieht sich und es geht derb bergab bis in den Skiort.
Das Sommertraining hat begonnen und an mir duessen Langlæufer auf Trainingsski die Strasse hinab. Direkt hinten dran 30 schlammbespritzte Trailrunner. Und ich. Dreckig, stinkend und heilfroh als ich den Coop sehe.
Dort nehme ich mein Versorgungspaket entgegen, pfeffere meine Stiefel in eine Ecke und schaufele mir genuesslichst eine Tuete Chips, eine Packung Kekse, eine Tafel Schokolade, einen Liter Milch und zwei Æpfel rein. Die sechs Oldstars in der Kaffeeecke grinsen mir an „Norge på langser?“ fragen sie und ich bejahe worauf sie anerkennend mit dem Kopf nicken. Vorher pfeffere ich meine Trinkblase die nach dem ganzen Sumpfwasser etwas gelitten hat in den Abfalleimer.
Mein Zug (Meråker liegt an der Bahnlinie nach Trondheim) geht um 18.51 also grinse ich den Herren zu und mache mich daran die 2km bergauf mit 30kg auf dem Ruecken und vollem Magen (mir ist kotzschlecht..) zum Bahnhof zu laufen.
Kaum bin ich an der Bruecke kommt von hinten ein Schwarzer SUV mit einem der Herren der mir meine Trinkblase aus dem Fenster zustreckt. Gut gemeint. 😀
Er fæhrt mich auch sehr gerne an den Bahnhof.
Der Zug hat Verspætung und als ich den Schaffner um ein Ticket bitte sagt er heute gibt`s eine Freifahrt wegen den 15 Minuten die der Zug zu spæt ist.

Deutsche Bahn na wie wær`s? 😉

In Trondheim esse ich tatsæchlich meinen Burger leider ohne Avocado, schuette etwas Gin in mein Tonic Water und laufe beschwipst (Junge, Junge, ich vertrag nichts mehr!) zum Vandreheim. Der Rezeptionist steht eventuell minimal unter Einfluss von Betæubungsmitteln. Meine Wæsche dreht sich in der Trommel und ich schlafe voller Vorfreude auf den morgigen Tag ein.
Das 

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